WilleZurForm.pdf - Der Wille zur Form
Anmerkungen zum Werk einer bemerkenswerten Künstlerin von Prof. Dr. Helge Bathelt, M.A.
Lebenspuls
"Wie in der Natur bewegt sich auch unser Leben in einem steten Rhythmus: Freude und Trauer, Anbeginn und Ende, Glück – Sorge und Schmerz, Geburt und Tod. In einer Gesellschaft, die Glück oft einseitig und als Abfolge von Events definiert, wird das Vorhandensein von Scheitern, Krankheit, Schmerz und Leid ausgeblendet. Doch Glück ist die Fülle des Lebens. Positives und Negatives. Nicht nur Lust, sondern auch Schmerz. Das Angenehme und das Unangenehme. Das Gelingen und das Scheitern. Wenn all das in meinem Leben ist, dann habe ich ein erfülltes Leben. Diesem Rhythmus nachzugehen, den Puls des Lebens spürbar zu machen, liegt dieser Bilderserie zugrunde. Die zweite Serie handelt von Verletzungen in unserem Leben – den Spuren und Wunden, die sie hinterlassen, der zarten Haut, die darüber wächst, den Narben, die entstehen, erneutes Aufreißen der Wunden, Heilungsprozessen, Veränderungen und Erinnerungen. Auch hier interessieren mich all diese Empfindungen, Wahrnehmungen und Prozesse – sie möchte ich sichtbar machen."
Frühjahrsacker - Winteracker - Blutacker
"In meiner Heimat ist die Landschaft geprägt von Feldern, Äckern, Steinriegeln und Streuobstwiesen – das Heckengäu.
Ich fühle mich dieser Landschaft tief verbunden. In der Begegnung mit ihr werde ich immer wieder berührt und inspiriert.
Der Acker mit all seinen Substanzen und Organismen, der fruchtbaren Erde, den Mineralien, Steinen, Samen, Pflanzen, Gewürm und Getier - dem Jahreslauf mit Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter, säen, keimen, wachsen, blühen, Frucht tragen, ernten, verwelken, vergehen und der Zeit der Ruhe - die Sonne, die ihn bescheint, der Regen, der darauf fällt, der Wind, der über ihn hinweg streicht, die Hoffnungen auf gute Ernte, Gedeih und Verderben, die Ackerfurchen und Erdschollen mit Licht und Schatten, der Duft der Erde und des Korns - all das gleicht in seinem Rhythmus unserem Lebenspuls.
So stehen die rhythmischen Farbbänder im Bild sowohl für die sichtbaren Ackerfurchen, den Wechsel der Erd- und Pflanzenreihen im Feld, als auch für den immer währenden Ablauf der Jahreszeiten, von Saat und Ernte und den Rhythmus des Lebens zwischen Hoffnung, Liebe, Trauer und Schmerz.
Die Erde als Ausgangspunkt unseres Seins, als Sinnbild der Fruchtbarkeit und des Lebens - ist sie auch Gegenstand unzähliger Kriege, durch Menschenhand zum Schlachtfeld gemacht. Wir sprechen von Mutter Erde und Mutterboden, vom Blut- und Todesacker.
Dunkel, feucht und geheimnisvoll sind Ereignisse und Geheimnisse unserer Geschichte im Erdreich unter schweren Erdschollen verborgen.
Empfindungen und Realität mischen sich, Formen und Strukturen erinnern an Gesehenes und das zeitlos Gültige."
Carmen Stallbaumer, 2006